Wir lesen alle Comics auch wenn wir keine Comics lesen
Die Bildgeschichte ist älter als der Buchdruck und eines der effizientesten Kommunikationsmittel. Trotzdem ist der Comic ein Nischenprodukt.
Die kleine Geschichte des Comics
Der Comic in seiner ursprünglichsten Form, welche eine Abfolge von Bildern darstellt, reicht bis in die Steinzeit zurück. Der junge Homo-Sapiens hat bereits Bilder gemalt, die Geschichten von der Jagd oder Begegnungen mit Naturgöttern erzählen. Im alten Ägypten haben die Steinmetze die siegreichen Schlachten ihres Pharaos in Stein gemeißelt. Im Mittelalter bot der Kreuzweg den Bürgerinnen und Bürgern, die nicht lesen konnten, die Möglichkeit, die Geschichten der Bibel zu erfahren. Der erste Comic mit Sprechblasen, wie wir ihn kennen, entstand 1755 in Japan und trug den Titel „Kinkin sensei eiga no yume" („Professor Kinkins Traum").
In den 1820ern gab es in England schon ein Satire-Magazin, das sich auf Cartoons und Comics fokussierte. Wie man an diesen Beispielen erkennen kann, ist die Bildergeschichte weit älter als der Buchdruck und sogar älter als die Erfindung der Schrift. Ich bin der Meinung der Comic ist die Urform des Geschichtenerzählens.
Der Comic in der Gegenwart
Jeder von euch hat schon mal einen Comic gelesen, spätestens wenn er ein Bücherregal von dem schwedischen Möbelhersteller mithilfe der Bauanleitung aufgebaut hat. Wenn du eine Abfolge von Emojis per Messenger erhältst, ist es im Endeffekt ein Comic, den du liest. Leider ist der Comic, trotz seines Alters und seiner unschlagbaren Fähigkeit Informationen zu vermitteln, weiterhin ein Nischenprodukt der Medienlandschaft. Er wird oft als Kinderkram belächelt. Als Erwachsener muss man doch Bücher lesen und keine kindischen Comichefte. So die allgemeine Meinung unserer Gesellschaft. Das finde ich schade, denn ein Comic ist eine sehr wichtige und oft unterschätzte Ausdrucksweise der menschlichen Kunstgeschichte. Comics sind mehr als nur das lustige Taschenbuch. Ein Comic beinhaltet literarische und bildliche Formen des kreativen Ausdrucks. Er behandelt gesellschaftliche und politische Probleme. 2023 erschien mit „Berichte aus der Ukraine - Tagebuch einer Invasion" ein wichtiger Comic, der die Leiden des Ukrainekrieges thematisiert.
Es bleibt weiterhin jedem selbst überlassen, ob er sich beim Lesen eines Buches die Bilder im Kopf ausmalen möchte oder sich bei einem Comic in die Bilderlandschaften der ZeichnerIn fallen lässt.
Der Comic doch ein Teil der Popkultur
Seit dem Start des Marvel Cinematic Universe sind Comics das Sprungbrett für Kino-Blockbuster. Das bescherte der Branche, seit den goldenen Tagen von Superman, neuen Aufschwung. Der Hype hielt aber nicht lange und die Verkaufszahlen von Comic-Heften und Graphic Novels sind wieder rückläufig. Das liegt zum einen an den Erfolgen der Filme und auch an der Digitalisierung. Medien werden hauptsächlich auf mobilen Geräten konsumiert und die Aufmerksamkeitsspanne sinkt zunehmend. Da ist es schwer, den Konsumenten zurück ans gedruckte Papier zu bringen. Die Branche versucht sich darauf einzustellen und hat den Webcomic entwickelt. Große amerikanische Verlage bieten bereits Apps inklusive Leseabo an. Aber auch diese Form von Comic hat es (noch) schwer, eine größere Masse zu erreichen.
Eine Sparte in der Comiclandschaft erfreut sich trotz dieser gesellschaftlichen Entwicklung eines beispiellosen Erfolgs. Diese Sparte hat, wie der erste Comic von 1755, ebenfalls in Japan ihren Ursprung und ist als Manga bekannt. Wer die Tage in der bekannten Büchereikette eingekehrt ist, wird erkannt haben, dass die Regalwände mit Mangas von Jahr zu Jahr länger werden. Trotz parallelen Erfolgs des japanischen Zeichentrickfilms steigt die Zahl der Manga-Publikationen steil. Die mit dem langen Namen „Kochira Katsushika-ku Kameari-kōen Mae Hashutsujo" betitelte Comicreihe ist die längste Serie an Manga-Büchern und schaffte es von 1976 bis 2016 mit 200 Teilen ins Guinness-Buch der Rekorde. Immer mehr europäische und amerikanische KünstlerInnen spezialisieren sich sogar auf den Zeichenstil des Manga, der sich von der westlichen Comicform signifikant unterscheidet. Die Leserschaft reicht von jungen Kindern bis zu Mitt-30ern. Netflix produziert mittlerweile Realverfilmungen in Serienform der Manga-Reihe „One Piece".
Geografische Unterschiede
Der kulturelle Stellenwert des Comics unterscheidet sich von Land zu Land sehr stark. In Japan ist es eine richtige Industrie geworden, und die ZeichnerInnen klagen, soweit es ihnen erlaubt ist, über Ausbeutung. Viele leiden an Burnout, und es gab vereinzelte Fälle von Suizid. In Amerika, dem Land von Marvel und DC, ist die Comicbranche ebenfalls industrialisiert. Bei großen Projekten werden Arbeitschritte streng aufgeteilt in Autor, Penciler, Inker und Colorist. Auch hier verdienen die Verlage mehr als die KünstlerInnen.
In unserem Nachbarland Frankreich geht es etwas entspannter zu. Dort gehört der Comic zum Nationalbewusstsein und man ist stolz auf seine Errungenschaften. Die Asterix-Reihe zählt mit 110 Sprachen zu den meistübersetzten Comics weltweit. Dicht gefolgt von Tim & Struppi mit 80 Sprachen.
Auch wenn man denkt, Lucky Luke sei ein amerikanischer Cowboy, wurde er in Belgien erfunden und seit dem Tod seines Schöpfers Morris von Franzosen weitergeschrieben. Die Zeichnerinnen und Zeichner haben in Frankreich einen hohen Stellenwert und werden wie Popstars behandelt. In Deutschland wie auch in meiner ursprünglichen Heimat Österreich kämpft man dagegen weiterhin um Anerkennung und bettelt um Subventionen. Alle zwei Jahre, beim großen Comicsalon in Erlangen, wird das Thema Förderungen thematisiert und man bemüht sich um Besserung. Jedoch kaufen die meisten deutschen Verlage Lizenzen aus dem Ausland ein, um vorwiegend amerikanische oder japanische Comics in deutscher Sprache zu verlegen. Die Gruppe an heimischen KünstlerInnen bleibt bis heute sehr überschaubar.
Die Zukunft des Comics
Trotz dieser großen Widersprüche in der Comicszene ist das Medium an sich nicht totzukriegen. Wir werden weiterhin Comics lesen, egal ob bewusst oder unbewusst. Der Comic bleibt ein stiller Begleiter. Sollten wir in der Zukunft auf intelligentes außerirdisches Leben stoßen, wird die beste Kommunikationsform die Bildgeschichte sein. Sie wird uns helfen, uns zu erklären und unsere Welt verständlich zu machen. Der Comic hat das Potenzial, uns das Tor zum Universum zu öffnen.
Wie liest du deine Comics?
In welcher Form liest du Comics? Magst du eher Webcomics oder bist du SammlerIn von gedruckten Heften?
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